“Das Netz als Brutstätte für Ideologie und Menschenhandel” von Regula Stämpfli. Medienkolumne 28.2.2024

Prostitution wird immer digitaler. So schreibt die SZ im Feb 2024 über sog. "Sexarbeit" Die Politphilosophin schaut im Bericht auf die ideologische Sprachgewalt der SZ.
SZ vom 25.2.2024 siehe https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/panorama/prostitution-europa-menschenhandel-osteuropa-internet-ermittler-e622675/ “Prostitution wird immer digitaler.” laStaempfli: Der Trend zur digitalen Prostitution nimmt in Europa stetig zu und bietet Menschenhändlern neue Möglichkeiten zur Ausbeutung. siehe Klein Report, Kommentar von laStaempfli https://www.kleinreport.ch/news/kommentar-das-netz-als-brutstatte-fur-menschenhandel-und-ideologie-103663/

Eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung der «Süddeutschen Zeitung» (SZ), NDR und WDR beleuchtet die Rolle des Internets bei der sexuellen Ausbeutung und zeigt, wie Menschenhandel zunehmend über digitale Kanäle organisiert wird.

Die Medienexpertin PD Dr. Regula Stämpfli hebt für den Klein Report die Bedeutung dieser Recherche hervor, stellt jedoch gleichzeitig kritische Fragen zur ideologisch gefärbten Sprache, die oft im Zusammenhang mit Menschenhandel, sexueller Gewalt und Prostitution verwendet wird.

«Der Artikel der SZ vom 26. Februar 2024 präsentiert detaillierte Einblicke in die Organisation von Menschenhandel über das Internet. Anhand eines beispielhaften Falls, der mit geänderten Namen versehen ist, wird die Geschichte eines jungen Mädchens aus einem ehemaligen Ostblock-Land nachgezeichnet. Sie wird von einem scheinbaren Freund aus Deutschland unter dem Vorwand eines besseren Lebens aus ihrer prekären Situation herausgelockt.

Die vermeintliche Rettung entpuppt sich jedoch als Albtraum, als das Mädchen in Deutschland ankommt. Ihr vermeintlicher Retter entpuppt sich als skrupelloser Sklavenhändler, der sie misshandelt, einsperrt und zur Prostitution zwingt. Das Internet dient dabei als mächtiges Werkzeug, um die Aktivitäten der Menschenhändler zu verschleiern und Behörden sowie Hilfsorganisationen zu täuschen.

Besonders brisant wird der Artikel, wenn er die Unterscheidung zwischen Menschenhandel und der in Deutschland legalen Prostitution thematisiert.

Anders als üblich vermeiden SZ, NDR und WDR den Begriff «Sexarbeit» und sprechen konsequent von Prostitution, was zu einer ideologischen Debatte führt. Während über Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung berichtet wird, betonen sie die Freiwilligkeit der Prostitution und verwenden den Begriff «Sexarbeit».

Diese Unterscheidung zwischen «Sexarbeit» und den realen Gefahren von Gewalt, Kriminalität und Diskriminierung von Frauen in der Prostitution ist problematisch. Die Realität zeigt, dass Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung eng mit der Prostitution verbunden sind und nicht einfach als «Freiwilligkeit» oder «Sexarbeit» abgetan werden können. Es geht vielmehr um den Verkauf des menschlichen Körpers und die Ausnutzung von Frauen.

Die Recherchen von SZ, NDR und WDR konzentrieren sich zwar auf die Digitalisierung des Menschenhandels, offenbaren jedoch gleichzeitig, wie durch ideologisch geprägte Sprache die brutale Realität der Prostitution verschleiert wird.

Die Aussage, dass man nicht erkennen könne, ob eine Frau ihre Anzeige beispielsweise für «Wohnungprostitution» eigenständig oder freiwillig erstellt habe, verdeutlicht die Verdrängung dieser Problematik.

Es ist beunruhigend, dass die Medien bei offensichtlichem Menschenhandel den Begriff «Sexarbeit» verwenden, statt die Dinge beim Namen zu nennen. Dies zeigt eine bedenkliche Schieflage sowohl in der Medienpolitik als auch im Rechtsstaat. Es ist an der Zeit, die Realität anzuerkennen und den Menschenhandel und die damit verbundene Prostitution klar zu benennen.

Es sei den Medien dringend empfohlen, sich mit Berichten wie «Sexkauf: Eine rechtliche und rechtsethische Untersuchung der Prostitution» von Elke Mack und Ulrich Rommelfanger aus dem Jahr 2023 auseinanderzusetzen.» Klein Report by Regula Staempfli 28.2.2024.

“Porno hat mit Erotik soviel zu tun wie die Leiche mit dem lebenden Menschen”.Verdinglichung und Biopolitik: Streiflichter von Regula Stämpfli zum Thema #Gender #Digitalisierung & #Trumpism #XiJipingism #Erdoganism #Orbanism

Der Religionskrieg wird in allen Medien ausgefochten. Die wenigsten Experten reden indessen vom DIREKTEN ZUSAMMENHANG ZWISCHEN VERDINGLICHUNG ALLES LEBENDIGEN ZUGUNSTEN VON CODES, d.h. den Zusammenhang mit der Digitalisierung.

Am 1. Juni 2023 bringt Der Standard einen Artikel zur Ideologisierung und Politisierung des Aufklärungsunterrichts. Wer bis anhin noch nicht gemerkt hat, dass das Digitale Zeitalter auch eine DigiReligion mit sich bringt, nämlich dass alles mit allem verglichen wird: Menschenfleisch, Rindfleisch, Schafsfleisch sind im Null/Eins Schema unter Kategorie #Fleisch abgespeichert, sollte es spätestens JETZT MERKEN.

Die Verdinglichung von Menschen ist in den Codes perfektioniert: Wikipedia macht die Kategorien, Tumblr und 4Chans, die reaktionären und antidemokratischen sozialen Netzwerkursprünge mit 80Prozentanteil Pornografie definiert TWITTER, Telegram, TikTok et al. Das Menschenbild der Aufklärung weicht einem codierten Menschenbild (TM Regula Stämpfli). Seit über 20 Jahren publiziere ich zur “Algorithmisierung der Welt und den daraus folgenden politischen Konsequenzen. #EineFraukommtzufrueh.

Der Kampf um Sexualaufklärung ist ein Religionskampf, keine politische Auseinandersetzung: Es ist ein Krieg zwischen herrschenden Ideologien, zwischen Tumblr und 4Chan, die nun Mainstream geworden sind, um alle NORMIES, alles Normale und Demokratische zu vernichten. Dazu das wegweisende Buch von Angela Nagle, Kill all Normies – schon über 7 Jahre alt, aber da die Medien nur Warmwasserdigitalisierungs-Experten erlauben, werden die wirklich klugen Digifrauen einfach nicht gelesen.

Die Macht des Storytellings oder Back to Reality: Publiziert in ensuite Januar 2023.

Von Dr. Regula Stämpfli – Auf Arte gab es kürzlich eine neue Dokumentation zum Untergang Roms. Die Theorien sind bekannt: Im 19. Jahrhundert scheiterte das antike Rom an seiner Dekadenz, im 20. Jahrhundert an militärischer Schwäche, im 21. Jahrhundert wegen des Christentums als Staatsreligion, und ganz neu sind Pandemie und Klimawandel die Ursachen. Der Gabe, Geschichte(n) neu zu erzählen, wohnt die Eroberung der Gegenwart inne.

Weltreiche werden nicht durch Gewalt regiert, sondern brauchen Storys. Sind sie gut, gehen sie mit der Zeit in Fleisch und Blut über – Stichwort christliches Abendmahl: die perfekte Kombination von Storytelling und Realität.

Codes sind noch nicht ganz so mächtig, aber immerhin haben sie es im Jänner 2020 geschafft, das Weisse Haus zu stürmen. Trumps Tweets waren eben nie nur 140/280 Zeichen, sondern codierte Anweisungen: vom Nationalismus über den Hass bis hin zum eigentlichen Putschversuch. Codes gehören der algorithmisch verfassten Gegenwartsreligion an: Sie mobilisieren ihre Gläubigen für Krieg, Schlachten und Eroberungen. Plattformen bleiben wie damals die Kirche unantast- und unfehlbar. Sie finden, ich übertreibe? Nein. Ich bin nicht krass genug: Digitale Revolutionen wiederholen codierte Bullshit-Narrative so oft, dass sie selbst politisch bisher Unverdächtige pervertieren können. Oder hätten Sie vor zehn Jahren allen Ernstes geglaubt, dass für viele Postfeministinnen nicht etwa iranische Mullahs als «frauenfeindlich» im Netz verfolgt werden, sondern die zauberhafte Kinderbuchautorin J.K. Rowling oder die Nobelpreisanwärterin Margaret Atwood? Oder dass über dem lauten Geschwätz einschliesslich Trigger-Warnungen die Gewalt an Kindern inklusive sexueller Kinderfolter im Netz milliardenfach (allein im letzten Jahr verdoppelte Bildmenge, siehe Gabriel Dance) zugenommen hat, ohne dass wir über diese Epidemie auch nur einen klitzekleinen Tweet geschweige denn einen Hashtag oder Thread lesen?

Codes sind heftige, wirkungsmächtige Glaubenssysteme: Sie etablieren neue Datenpakete-Religionen. Diese operieren wie damals die Kirche: Die Wirklichkeit wird durch geschicktes Storytelling aus der Welt geschafft.

Was waren die Nachkriegsgeborenen doch naiv! Sie meinten allen Ernstes, den Glauben längst in der Mottenkiste fehlgeleiteter Vergangenheit entsorgt zu haben! Sie lagen völlig falsch. Ohne Religion ist dem Klimawandel nicht beizukommen, wie wir an den Apokalypse-JüngerInnen der «Letzten Generation» erkennen. Versuchten wir in den 1970er-Jahren, das Klima logisch, wissenschaftlich begründet und mit politischen Massnahmen zu stoppen, realisieren wir fünfzig Jahre später, dass es neureligiösen Kunst-Bullshit braucht, um den Klimawandel wenigstens zu thematisieren. Die «Letzte Generation» beweist mit ihrer neuen Klimareligion und mit Klebestoff, Videos, Hashtags und Twitter‑, Tiktok‑, Telegram- und medienanalog omnipräsent, wie man übers Klima redet und nichts tut. Das ist wahre Macht. Die Post-War-Boomer meinten auch, Gleichstellung von Frauen logisch, vernünftig und mit neuen Bibliotheken weiterzubringen. Sie vergassen die Herrschaftsgewalt von Misogynie und Antisemitismus. Vorurteile, die – wie praktisch – schon ganz zu Beginn in die Codes reinprogrammiert wurden; nachzulesen u. a. bei mir und in Caroline Criado-Perez’ «Unsichtbare Frauen». Sogar aus Jan Böhmermann haben Algorithmen einen fleischgewordenen Twitter gemacht: Der Moderator nennt Frauen auf ZDF einen veritablen «Scheisshaufen», crazy, nicht wahr?

Codierte Glaubenssysteme schnüren Datenpakete, die – automatisch repetiert – Hashtags, Threads und Trends in die Wirklichkeit tragen. Deshalb hörten wir in den letzten sieben Jahren wenig zum Freihandelssystem, das Diktaturen reich und kriegslüstern macht – siehe Russland, die VR China und den islamistischen Gottesstaat Iran. Deshalb wurde zu Katar und dessen mafiösem Einfluss auf westliche Demokratien nicht mehr recherchiert – bis zum Fund von über 600 000 Euro im Trolley des Vaters einer europäischen Abgeordneten im Dezember 2022. Codierte Glaubenssysteme verkaufen Meinungen als Tatsachen, hebeln kritisches Denken auf und geben vorwiegend Frauen oder «Israel» die Schuld für alles Unglück dieser Welt – und zwar von links bis rechts.

Algorithmen sind schon längst keine Mathematik mehr, sondern Weltgestalter. Sie errechnen aufgrund reaktionärer, antidemokratischer, patriarchaler, misogyner, rassistischer Daten die Welt neu. Falls dies zu theoretisch klingt: Fragen Sie doch mal den Amazon-Postboten, diesen neuen Sklaven des Plattformkapitalismus, wie sein Leben von Maschinen errechnet wird und was dies für sein Dasein, seine Familie, seine Arbeit und seine Berufung bedeutet. Begleiten Sie eine Krankenschwester, die stundenlang Maschinen füttert statt über Zeit verfügt, sich realen Menschen zu widmen, und Sie merken: Nicht die Maschinen werden menschlicher, sondern die Menschen maschineller. Menschen übrigens, deren Daseinszweck nicht als Lebewesen definiert wird, sondern als Datenpakete, Kreditmöglichkeiten, und die im Falle von biologisch weiblichen Körpern als Verfügungsmasse für Reproduktion, sexuelle Dienstleistung und andere patriarchal induzierte Pflegedienste funktionieren.
Der Macht der Fiktionen im Zeitalter digitaler Reproduktion ist keine Grenze gesetzt.  Doch noch immer wird die Geschichte der neuen Datenreligion nicht als solche erzählt.
Der Historiker Philipp Blom bspw. ist geschickt darin, zu den jeweils brennenden Glaubens-
themen der Gegenwart historische Bücher vorzulegen. Die Nervenschwäche der Männer um die Jahrhundertwende passte gut zum aufsteigenden Feminismus der Nullerjahre des 21. Jahrhunderts; die Ideologisierung der Zwischenkriegszeit zum Aufkommen der sozialen Netzwerke. Und 2022 sind Natur und Biologie dran sowie die Radikalabrechnung mit dem alten Glauben. Eine «mythologische Atombombe» sei der biblische Satz «Macht euch die Erde untertan», meint Blom in seinem neuen Buch und plädiert für radikales Umdenken. Er bedauert den Wandel von der griechischen Götterwelt zum Christentum: «Wollte man in See stechen, musste man Poseidon opfern, sonst gab es einen Sturm oder eine Flaute und man kam nicht weiter. Und wollte man ein Feld aussäen, brauchte es vielleicht ein Ritual, um die Geister zu besänftigen.» Diese symbolischen Handlungen hätten den Menschen in ein Geflecht von Natur, quasi in die Kybernetik, geistig eingestimmt – etwas, das heutzutage definitiv fehlt. Deshalb fordert Blom eine «Denkrevolution» – sprich neue Narrative, neues Storytelling, das sich hoffentlich automatisch repetiert in Wirklichkeit übersetzen lässt. Wieder wird die Lösung existierender globaler Probleme in «neuen Narrativen» gesucht, statt der Wirklichkeit Gewicht und Raum zu geben.

Leute: Das Klima wird nicht durch Codes und Storytelling gerettet – im Gegenteil –, sondern nur durch reale Politik: Taten statt Worte. Finanztransaktionssteuer, die Internalisierung externer Kosten, die demokratische Durchsetzung des Öffentlichkeitsprinzips, das allen ermöglicht, öffentliche Daten zu nutzen und private zu schützen, eine Arbeitswelt, die auf Resonanz statt auf Wachstum und Bullshitjobs ausgerichtet ist, ein Qualitätsjournalismus, der reale Probleme und nicht Shitstorms untersucht, sowie ein Finanzsektor, der nicht wie damals die Katholische Kirche den Wahnsinn automatisch repetiert, selber berechnet, verkauft und alle Lebewesen dieser Ideologie unterwirft. Schon länger meine ich, wir sollten Arbeit mit Lebewesen höher bezahlen als Arbeit mit Daten. Schon eine gewisse Regulierung des globalen Handels hätte riesige und positive Auswirkungen. Die Lösungen sind schon längst ausgedacht, es kommt darauf an, sie umzusetzen.

«Das Kapital fährt ins Ausland, spricht seine Sprache, und dort, wo man auch seine spricht, bleibt es dann liegen. Die Sonne scheint nicht in Tresore, die Sonne kommt aus den Tresoren und bestrahlt uns, wenn wir sie öffnen, die Büchsen der Pandora. Man wird uns erwischen, das ist auch schon der ganze Inhalt.» Das neue Buch von Elfriede Jelinek – fast noch druckfrisch und der Hammer! Jelinek entlarvt literarisch konkret also dieses Paradox der wirklichkeitsnahen Kunst, was Codes in Wirklichkeit sind: antidemokratisch programmierte Handlungsanweisungen zugunsten eines globalen Finanzsystems, das vor unser aller Augen die Welt in Narrative verwandelt, die im real existierenden Globus riesige Müllberge zurücklassen.

Womit wir beim Untergang und unserem Anfangsthema, dem von Rom, wären. Hier halte ich es mit Friedrich Dürrenmatt: «Ich werde dich pensionieren», erklärt der germanische Söldnerführer Odoaker in der Komödie «Romulus der Grosse» dem Kindkaiser Romulus Augustulus. Der antwortet erfreut: «Hier hast du den Lorbeerkranz und die Kaisertoga. Das Reichsschwert findest du bei den Gartengeräten.» Dann darf sich der Herrscher mit einer Jahresrente von 6000 Goldstücken auf ein Landgut bei Neapel zurückziehen.
Was beweist: Die Wirklichkeit schreibt immer noch die besten Geschichten.
Empfehlungen:
Gabriel Dance, The Internet Is Overrun with Images of Child Sexual Abuse – What Went Wrong.
Friedrich Dürrenmatt, Romulus der Grosse.
Caroline Criado-Perez, Unsichtbare Frauen.
Philipp Blom, Die Unterwerfung – menschliche Herrschaft über Natur.
Elfriede Jelinek, Angabe der Person.
Shoshana Zuboff, Digitaler Überwachungskapitalismus.
Maja Göpel, Wir können auch anders. Aufbruch in die Welt von morgen.
Kyle Harper, Fatum. Das Klima und der Untergang des Römischen Reiches.
Eric Hobbesbawm, Das Zeitalter der Extreme.
Thilo Bode, Die Freihandelslüge. Warum wir CETA und TTIP stoppen müssen.Artikel online veröffentlicht: 18. Januar 2023 – aktualisiert am 18. Mai 2023