Interview von Regula Stämpfli in der Schweizer Illustrierte: Über Royals, Reality TV & was dies mit der Politik zu tun haben könnte.

Interview von Regula Stämpfli in der Schweizer Illustrierte: Über Royals, Reality TV & was dies mit der Politik zu tun haben könnte.
Interview von Regula Stämpfli in der Schweizer Illustrierte: Über Royals, Reality TV & was dies mit der Politik zu tun haben könnte. Bild von Regina Hügli.

“KÖNIGSHÄUSER IM HOCH

«Royals sind die Projektion unserer Träume»

Nach dem Tod von Diana lag nicht nur die britische Monarchie in Trümmern. Heute werden Royals angebetet wie ­Popstars. Politphilosophin Regula Stämpfli über das Comeback der Königshäuser und darüber, was Frauen damit zu tun haben.” Nachzulesen hier

https://www.schweizer-illustrierte.ch/people/royals/royals-sind-die-projektion-unserer-traume-675072

Wo lässt es sich besser über die Royals diskutieren als in der Stadt der Kaiser und Könige? Wir treffen die Berner Historikerin und Medienwissenschaftlerin Regula Stämpfli in ihrer Wohnung voller Patina in Wien, wo sie seit der Pandemie für ein Auktionshaus arbeitet und einen Podcast über Kunst, Finanzen, politische Gegenwart und Vergangenheit leitet.

Frau Stämpfli, wer ist Ihr Lieblingsroyal?
Ich bitte Sie! Ich bin durch und durch demokratisch. Aber wenn royal, dann früher Diana und jetzt Harry. Aber wehe, Sie sagen dies dem britischen Teil meiner Familie. Dann ist Feuer unter dem Dach (lacht).

Nach Dianas Tod stand die britische Monarchie fast vor dem Ende, und auch die anderen Königshäuser konnten kaum mehr Herzen erwärmen. Jetzt sind Royals plötzlich wieder beliebt – von der Krönung von Frederik von Dänemark gabs Liveticker. Warum?

Unsere Zeit zeichnet sich durch Eskapismus in Reality-Formate aus. Da passen die Royals mit ihren Traditionen und Werten aus vergangenen Jahrhunderten als Projektion für unsere Träume ganz gut hinein. Mit ihren Auftritten bieten sie eine Art Reality-TV-Format – unfassbar beliebt, vor allem auch unter jungen Menschen.

Ist das für die Monarchien gut oder schlecht?
Beides. Positiv ist: Die Serien und Dokus über Königshäuser mit viel Glanz und Gloria steigern die Bekanntheit und das Interesse und stützen damit die Monarchien. Sie fördern auch den Tourismus, indem sie Orte regelrecht zu Hotspots machen. Durch «The Crown» – diese originelle Mischung von Geschichtsdoku, Kostümdrama und Real-Life-TV – sind die britischen Royals noch mehr zur Marke und zu Stars der Kontinuität geworden.Und was ist negativ?
Problematisch ist, dass solche TV-Formate in die Privatsphäre der Royals eindringen und die Charaktere aufhören, die ihnen zugewiesene Rolle zu spielen. Dann kommt es zu Dramen wie etwa um Harry. Was bedeutet die Flucht in Reality-Formate für die Gesellschaft? Normale Menschen können zunehmend nicht mehr zwischen Wahrheit und Inszenierung unterscheiden. Digitale Medien gestalten unser Aussehen, unsere Lebensweise, unsere Information, unser Denken – ja einfach alles bis unter die Bettdecke mit. Das ist problematisch, aber im Gespräch miteinander können wir dem entgegenwirken. Oder einfach mal das Handy zu Hause lassen. Echt gefährlich ist der Wirklichkeitsverlust für die Politik.

Weshalb?
Weil wir dann nur noch die Fiktion wählen. Das heisst Ideologen, Hassprediger, starke Männer – statt sich gegenseitig vertrauende Demokratie. Furchtbar! Ich nehme mich da übrigens nicht davon aus. Nach einer Stunde Twitter bin ich ein Mensch, der ich nie sein wollte.

Funktionieren Reality-Formate auch bei klassisch demokratisch gewählten Regierungen?
Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass unsere Regierungen sich wie Reality-Formate inszenieren. Das Personal bleibt. Egal, was passiert.

Haben Sie da ein Beispiel?
Wie erklären Sie sich, dass selbst beim Untergang der Credit Suisse niemand Verantwortung übernehmen musste? Karin Keller-Sutter war genial darin, das Narrativ so zu beherrschen, dass die Geschichte sogar bei den Wahlen im selben Jahr kein Thema war. Oder denken Sie ans Bundesamt für Statistik. Es gibt einen Super-GAU bei den Wahlprozenten, und was passiert? Nichts. Wie bei Serien, wo sogar Tote wieder zum Leben erweckt werden.

Sie haben die Hassprediger erwähnt: Populismus à la Trump ist salonfähig geworden, Autokraten wie Viktor Orbán oder Jair Bolsonaro sind beliebt. Stehen Monarchien in diesem staatlichen Sittenzerfall für ein verschwindendes Wertebild?
Definitiv. Vor allem die Königinnen – da würde ich auch die ehemalige Kanzlerin Merkel dazuzählen – gelten für die Menschen als fester Anker in unruhigen Zeiten und schützen gegen all diese Superegos, Selfies und Narzissten. Aber auch das ist natürlich eine Fiktion. Das Schlamassel eines entwicklungsbedürftigen Deutschlands im Jahr 2024 haben natürlich die Merkel-Jahre verursacht. Aber wenn wir wählen müssen, bietet alles Trost, was nach bekannt und traditionell klingt. So auch die Royals.

Was machen Monarchien heute besser als noch Ende des vergangenen Jahrtausends?
Sie spielen die Medienklaviatur perfekt.

Weil PR-Berater und Imagekampagnen Einzug in die Königshäuser gehalten haben?
Bei William und Kate braucht es gar nicht mehr so viel PR, da die beiden als Millennials schon in der Ich-AG-Zeit des Selbstmarketings aufgewachsen sind. Besonders Kate scheint ein inkarnierter Medienprofi zu sein. Aber ja klar: In Zeiten codierter Wirklichkeit entscheidet letztlich ausschliesslich die Story. Fakten? Vernachlässigbar.

Weshalb?
Weil wir dann nur noch die Fiktion wählen. Das heisst Ideologen, Hassprediger, starke Männer – statt sich gegenseitig vertrauende Demokratie. Furchtbar! Ich nehme mich da übrigens nicht davon aus. Nach einer Stunde Twitter bin ich ein Mensch, der ich nie sein wollte.

Funktionieren Reality-Formate auch bei klassisch demokratisch gewählten Regierungen?
Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass unsere Regierungen sich wie Reality-Formate inszenieren. Das Personal bleibt. Egal, was passiert.

Haben Sie da ein Beispiel?
Wie erklären Sie sich, dass selbst beim Untergang der Credit Suisse niemand Verantwortung übernehmen musste? Karin Keller-Sutter war genial darin, das Narrativ so zu beherrschen, dass die Geschichte sogar bei den Wahlen im selben Jahr kein Thema war. Oder denken Sie ans Bundesamt für Statistik. Es gibt einen Super-GAU bei den Wahlprozenten, und was passiert? Nichts. Wie bei Serien, wo sogar Tote wieder zum Leben erweckt werden.

Sie haben die Hassprediger erwähnt: Populismus à la Trump ist salonfähig geworden, Autokraten wie Viktor Orbán oder Jair Bolsonaro sind beliebt. Stehen Monarchien in diesem staatlichen Sittenzerfall für ein verschwindendes Wertebild?
Definitiv. Vor allem die Königinnen – da würde ich auch die ehemalige Kanzlerin Merkel dazuzählen – gelten für die Menschen als fester Anker in unruhigen Zeiten und schützen gegen all diese Superegos, Selfies und Narzissten. Aber auch das ist natürlich eine Fiktion. Das Schlamassel eines entwicklungsbedürftigen Deutschlands im Jahr 2024 haben natürlich die Merkel-Jahre verursacht. Aber wenn wir wählen müssen, bietet alles Trost, was nach bekannt und traditionell klingt. So auch die Royals.

Was machen Monarchien heute besser als noch Ende des vergangenen Jahrtausends?
Sie spielen die Medienklaviatur perfekt.

Weil PR-Berater und Imagekampagnen Einzug in die Königshäuser gehalten haben?
Bei William und Kate braucht es gar nicht mehr so viel PR, da die beiden als Millennials schon in der Ich-AG-Zeit des Selbstmarketings aufgewachsen sind. Besonders Kate scheint ein inkarnierter Medienprofi zu sein. Aber ja klar: In Zeiten codierter Wirklichkeit entscheidet letztlich ausschliesslich die Story. Fakten? Vernachlässigbar.

Trotz aller Liveticker und Real-TV-Formate: Ganz werden wir nie hinter die Kulissen der royalen Welt blicken können. Macht diese Mischung aus Nähe und Geheimnis auch ein Stück der Faszination aus?
In Zeiten völliger Transparenz entsteht Spannung tatsächlich aus dem Wechselspiel zwischen Geheimnis und Position.

Haben Sie selber «The Crown» gesehen?
Sie scherzen! Ich war wohl die Erste in der Schweiz, die die Netflix-Serie verschlungen hat.

Wollen Sie noch einen Tipp?
Gerne! «Versailles», die ersten zwei Staffeln. Die Serie erklärt Ihnen, wie Frankreich zu dem wurde, was es auch heute noch ist: zentralistisch, absolutistisch, mit unfassbar viel Eleganz, Schönheit – und perfektem Essen.

laStaempfli im Nachtcafé: Kinder um jeden Preis. Wiederholung der Sendung vom SWR neu am 12.01.2024. Regula Staempfli darüber, weshalb es dringend ein universelles Verbot der Leihmutterschaft braucht & Literaturhinweise. Mit Aktivistin Olivia Maurel: Bericht vor Parlament Tschechien 2023.

Im Nachtcafé vertrat PD Dr. Regula Stämpfli die wissenschafltich, ethisch und medizinisch klare Haltung des universellen Verbots der Leih- und Mietmutterschaft. Die Sendung ist eine Wiederholung aus dem Sommer 2023 – hier zum nachgucken: https://www.ardmediathek.de/video/nachtcafe/kinder-um-jeden-preis-wh/swr/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzE4ODIyMDA

Etwas müde angesichts der in Deutschland mit Fug und Recht verbotenen Leihmutterschaft, wenn sie dann doch ohne grosse Probleme in Deutschland zur Norm werden soll…. Bildschirmfoto aus der Sendung.

Die Leih- und Mietmutterschaft entspricht der Auflösung der realen Welt und Wirklichkeit seit den neuen digitalen Revolutionen. Regula Stämpfli nennt dies “Der Mensch im Zeitalter seiner digitalen Reproduktion.” Wie sehr codierte Automatismen, die Menschen wie Fleisch und Reproduktion wie einen Dingakt behandeln, darüber hat Regula Stämpfli ausführlich geschrieben. Zwei Kurzversionen zur Digitalisierung hier: https://www.denknetz.ch/wp-content/uploads/2021/08/Staempfli_Europa_Bankensprech_Sehnsuchtsort.pdf und hier: https://regulastaempfli.eu/wp-content/uploads/2020/09/datenloch-swissfuture-methodenderzukunft.pdf Im Podcastz “Die Podcastin” erklärt Regula Stämpfli regelmässig die Auswirkungen der Digitalisierung auf unser reales Leben: www.diepodcastin.de Zum Nachhören überall wo es Podcasts gibt. Ebenso in “Future-Podcast”, wo Regula Stämpfli zwei Jahre für die SAGW und TA-SWISS die Auswirkungen der Digitalisierung untersucht hat. www.ta-swiss-futurepodcast.online

Erschütternd der Bericht DES LEIHMUTTERSCHAFTSKINDES VOR DEM TSCHECHISCHEN PARLAMENT: https://www.youtube.com/watch?v=b0gJi0WQRDA

Olivia Maurel: Aktivistin für ein universelles Verbot der Leihmutterschaft. Olivia Maurel ist vor vierzig Jahren von einer Leihmutter geboren worden und erzählt, was seitdem alles passiert ist. Die Kinderrecht werden nicht berücksichtigt: Dies erklärt die kluge Dr. Eva Maria Bachinger seit Jahren, siehe auch Artikel hier: https://www.imabe.org/fileadmin/imago_hominis/pdf/IH024_006-010.pdf

Für mehr Denken von laStaempfli auch den Literaturblog beachten: www.ensuite.ch hier https://www.ensuite.ch/literaturblog/