MEDIENEXPERTIN Regula Stämpfli zur Clint Eastwood-Afffäre im KURIER, 3./4. Juni 2025.

Elisabeth Sereda ist ein Phänomen. Sie bekommt sie alle. Die Liste ihrer Promi-Gespräche für den österreichischen «Kurier» ist ebenso eindrücklich wie lang: Brooke ShieldsJude LawPamela AndersonSarah Jessica ParkerCate BlanchettElton JohnPharell WilliamsAngelina JolieMia Farrow und viele andere mehr – sie alle gehören offensichtlich zum engeren Kreis des Golden-Globes-Mitglieds Sereda (seit 1994). Seredas Interviews, alle im «Kurier» gelistet, sind echt spannend, zeigen die Stars manchmal als intellektuelle Überflieger, immer sehr persönlich mit Antworten, die Lust auf näheres Kennenlernen machen. Das Problem ist: Die Interviews wurden mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht eins zu eins geführt, sondern aus Kollektivinterviews zusammengeschnitten, ohne dies auch als Kollektiv-Mitschnitt zu kennzeichnen. Denn ganz ehrlich: Wer will schon ein Interview, das die Journalistin quasi mit sich selbst und den Antworten des Stars, die dieser in anderen Kontexten und Hintergrundgesprächen gegeben hat? Well. Tom Kummer, der grosse Fälschungsfall der 1990er Jahre hat bewiesen: Selbst nach dem riesigen Fall gibt es eine riesige Karriere. Nun einfach als Schriftsteller.

Der jüngste allfällige Fälschungsfall dreht sich um Clint Eastwood, der gesagt haben soll, dass Hollywood nur noch von “akes” und “Remakes” dominiert wurde. Clint Eastwood, der wohl x-mal auf diese Aussage in irgendeiner österreichischen Zeitung angesprochen wurde, meinte laut «The Independent» sehr ärgerlich, das ganze Gespräch sei «entirely phony», also frei erfunden. Er hätte einem «Austrian Newspaper» nie ein Interview gegeben. Der Skandal flog auf, der Klein Report berichtete darüber: https://kleinreport.ch/news/Clint-Eastwood-Interview-ist-frei-erfunden-106291/

Regula Stämpfli hat mit Trumpism. Ein Phänomen verändert die Welt eigentlich die Welt als Fälschung entlarvt. Hier gibt die Digitalexpertin Auskunft, dass solche Interviews früher oder später nicht mehr vom Original zu trennen sind, weil alles wie Reality TV inszeniert wird. «Das ganze Interview erinnert mehr an algorithmisch gefilterte Motivationsliteratur als die knurrigen Töne, für die Eastwood bekannt ist.» Dies meint die Medienexperting Regula Stämpfli auf Nachfrage des Klein Reports, ohne zu behaupten, das ganze Interview sei als «Fälschung» zu charakterisieren.

Der Kurier reagierte auf Eastwoods Fälschungsvorwurf -siehe (https://kurier.at/kultur/medien/clint-eastwood-interview-hollywood-kurier-in-eigener-sache/403047088). „Der KURIER legt immer Wert auf höchste Qualität“  und dementiert den Fälschungsvorwurf: „Sereda hat (…) insgesamt 18 Mal mit Eastwood bei Round Tables gesprochen. (…) Aus diesen Gesprächen nun hat Sereda ihren Angaben nach den aktuellen Artikel verfasst.“ Diese Zitate seien also gemäss KURIER “dokumentiert” und nicht erfunden. Allerdings räumt die Redaktion ein, dass die Präsentation des Artikels als aktuelles Interview irreführend war. Infolgedessen hat der KURIER per sofort die Zusammenarbeit mit der langjährigen freien Korrespondentin für Prominente beendet. 
Der Medienexpertin Regula Stämpfli genügt auf Rückfrage des Klein Reports diese Stellungnahme nicht, da Fragen zur journalistischen Integrität eines solchen Vorgehens offen bleiben. Ist es wirklich akzeptabel, ältere Zitate ohne Kennzeichnung einfach als „neues“ Interview zu präsentieren? Welche Verantwortung tragen Redaktionen bei der Überprüfung solcher Texte von Freien, die nicht nur von Ländern in anderer Sprache, aber neu eventuell mit Hilfe der KI berichten (ohne diese als Quelle anzugeben)? „In einer Zeit, in der die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion eh verschwimmen, ist es umso wichtiger, klare journalistische Standards und Transparenz gegenüber dem Publikum zu wahren“ – so die Schlussfolgerung von Regula Stämpfli, Autorin von “Trumpism. Ein Phänomen verändert die Welt.”Der KURIER hält fest: „Auch wenn kein Zitat erfunden ist, die Interviews dokumentiert sind und der Fälschungsvorwurf zurückgewiesen werden kann: Wir werden künftig nicht weiter mit der Autorin zusammenarbeiten, weil uns Transparenz und unsere strengen redaktionellen Massstäbe über alles gehen.“ Star-Stories generieren viel Aufmerksamkeit und viele Klicks. Fälschungen sind in der Branche schon vorgekommen, berühmt ist der Fall Tom Kummer in den 1990er-Jahren, der so gute Interviews von Promis publiziert hat, die diese nie hätten geben können. Aufgeflogen ist Tom Kummer im Jahr 2000 durch seinen damaligen Auftraggeber «Süddeutsche Zeitung» (SZ), für deren Magazin er die Interviews geliefert hatte (ebenfalls «Das Magazin» des «Tages-Anzeigers»). Weniger bekannt ist der Fall Janet Cooke. 1981 erhielt sie den Pulitzer-Preis für «Jimmy’s World», eine ergreifende Geschichte über einen achtjährigen Heroinabhängigen – völlig erfunden. Damals war das ein riesiger Skandal, 2020 veröffentlichte Mike Sager dazu ein Buch mit dem Titel: «Janet’s World. The Inside Story of Washington Post Pulitzer Fabulist Janet Cooke.»

laStaempfli-Kommentar Kleinreport: “Inseratenaffäre Österreich, «Bild»-Beben #Reichelt & Swiss Connection”

schlagende zeilen medienkommentare laStaempfli

laStaempfli über Reichelt, BILD & SWISS ANGLE

«Bild»-Chefredaktor Julian Reichelt musste Knall auf Fall am Montag gehen – der Klein Report berichtete. Der Abgang des Chefredaktors ist aber nicht die einzige Aufregung beim Boulevardblatt «Bild»: Es bebt bis in die höchsten Chefetagen, bis hin zu Mathias Döpfner. Dieser wollte an Julian Reichelt festhalten. Doch der Druck nach einem Bericht der «New York Times» durch den New Yorker Investor bei Axel Springer SE wurde zu gross. Was nun die Vorgänge bei «Bild» mit der österreichischen Inseratenaffäre zu tun haben und wie sie letztlich auch die Schweiz betreffen, dazu berichtet die Politphilosophin und Medienwissenschaftlerin Regula Stämpfli in einem Kommentar exklusiv für den Klein Report.
 
“Julian Reichelt hätte wissen müssen, dass sein Ende mit der Amazon-Staffel «Bild.Macht.Deutschland.» eingeleitet wurde. In sieben Teilen liess er die «Bild»-Zeitung und sich selber dokumentieren. Journalisten mögen es gar nicht, wenn sich ein einzelner Chefredaktor, selbst in Zeiten des «Selfism» (Regula Stämpfli), dermassen inszeniert. Die einheimische Konkurrenz war hingerissen oder fühlte sich provoziert: So oder so war Julian Reichelt nun permanent Thema. Auch Mathias Döpfner hätte es wissen müssen. Sein Verlag hat in den USA «Politico» gekauft – trotz Turbulenzen. Deshalb blieb die internationale Konkurrenz im Vorfeld nicht still und hat Recherchepotenzial entwickelt. Das Resultat war unter anderem in der «New York Times» zu lesen.

Konkurrenz unter Journalisten und Journalistinnen ist also eine gute Garantie für Meinungsvielfalt; ebenso die internationale Konkurrenz, wenn es darum geht, brisante und potente Medienaffären publik zu machen. Von Deutschland nach Österreich: Die Inseratenaffäre wurde durch den Ibiza-Skandal ausgelöst, der auch international begann. Doch in Österreich schritt gegen den Politik- und Medienskandal in der Folge auch noch die fähige und unabhängige Staatsanwaltschaft ein, Hut ab!

Diesen Mut wünscht sich jede Demokratin für ein funktionierendes Rechtssystem. Die Lehre hier ist: Funktionierendes Justizsystem garantiert unabhängige Recherche bei Medienkorruption.

Deshalb hier nun die wirklichen Bad News für die Schweiz: Das Schweizer Mediensystem kennt keine wirkliche Konkurrenz und keine internationale Investigation. Ganz zu schweigen von unabhängigen Journalisten, die Skandale intern aufdecken können, wollen und dies auch tun. Und würde in der Schweiz so wie in Österreich die Staatsanwaltschaft mutig eingreifen? Der offene Brief der 78 Tamedia-Journalistinnen im März 2021 beispielsweise machte in der Schweiz zwar ein paar kleine Schlagzeilen, doch es bleibt alles beim Alten. War da noch was punkto strukturellem Sexismus? Wir hören nichts mehr. Die Schweiz ist klein und die Fluktuation zwischen Medien, privaten, staatlichen, medialen und kulturellen Institutionen und Journalisten besonders hoch. Das Aufdecken von internen Affären ist in der Schweiz deshalb fast unmöglich. Allianzen aus dem Ausland? Fehlanzeige. Viele hiesige Verlage sind auf diese oder andere Weise mit den grossen Verlegern in Österreich und Deutschland liiert.

«Geld. Macht. Medien», heisst es hierzulande. Dies zeigt sich an der Medienkritik in der Schweiz. Seit Google und Facebook die Verlage umgarnen, ist kaum mehr Kritisches über die US-Giganten zu lesen, es sei denn, Whistleblower treten in Erscheinung, die selbst die von digitalen Giganten gesponserten Medien nicht einfach ignorieren können.

Zum Einfluss von Google auf das Mediensystem hat die Otto-Brenner-Stiftung schon im Jahr 2020 eine brisante Studie veröffentlicht, die ausser vom Klein Report hierzulande nicht aufgegriffen, sondern eher elegant ignoriert wurde.

Die Inseratenaffäre, die «Bild»-Affäre und auch der Relotius-Skandal erzählen viel über das Funktionieren respektive die Schwächen des gegenwärtigen Mediensystems.

Alle zeigen, wie wichtig es für das Funktionieren der Demokratie ist, dass kritische Journalistinnen, innere Pressefreiheit in den Redaktionen, vom Staat unabhängige Finanzen, unabhängige Recherchen, internationale Vernetzung und gute Medienkonkurrenz existieren.

Nun will auch noch der Schweizer Staat, der eh schon indirekt viele Millionen in die Verlage steckt, noch mehr «Medienförderung» betreiben. Dies sollte uns alle sehr ungemütlich stimmen. Denn im Schweizer Mediensystem ist es erstaunlich still: Kann es sein, dass es hierzulande keinen Relotius gibt?

Kann es sein, dass an den Vorwürfen der 78 Journalistinnen gegen den Zürcher Konzern Tamedia oder auch gegen den SRG-Generaldirektor Gilles Marchand – unter anderem während seiner RTS-Zeit, bei dem sich über die Jahre sagenhafte 200 Fälle angehäuft haben – überhaupt nichts dran ist?

Kann es sein, dass an der Affäre Berset nichts stimmt, sondern nur rechtspopulistischer Schmutz durch rechtspopulistische Medien stattfindet? PS: Am 25.10.2021 wird die Affäre Berset parlamentarisch untersucht – vier Tage nachdem dies Regula Stämpfli thematisiert hatte.

Weitere offene Fragen sind: Kann es sein, dass die hervorragende weibliche Leitung der Solothurner Filmtage einfach so kalt gestellt wird ohne einen Aufschrei? Kann es sein, dass es kein Zufall ist, in der Schweiz nichts bis ganz wenig von Google und Mediensubvention zu hören, zu lesen oder zu erfahren? Fragen über Fragen, die in der Schweiz so beantwortet werden wie in den USA: Bei Medienkritik gibt es keine Fakten, beim Medienfördergesetz gibt es keine Diskussion, sondern nur noch politische Positionen. Dies schadet uns allen: der Demokratie, der Information und dem Qualitätsjournalismus.”