Europa wurde befreit – von den Deutschen. Nicht umgekehrt.
Am 8. Mai 1945 war Schluss. Schluss mit der deutschen Barbarei – vorerst. Schluss mit dem industriellen Massenmord, mit den Deportationen, mit der Zerschlagung Europas durch Hitlerdeutschland und die Millionen deutschen Nazis, die das Sagen hatten. Der Kontinent atmete auf. Wer heute – allen Ernstes – vom “Tag der Befreiung der Deutschen” spricht, macht Täter zu Opfern. Das ist nicht nur geschmacklos. Es ist gefährlich.
Europa wurde von den Deutschen befreit – nicht die Deutschen selbst. Dass ausgerechnet in einem Podcast mit dem hübschen Namen Apokalypse & Filterkaffee die Shoah zur Reinigungsdusche für die deutsche Seele umetikettiert wird, zeigt, wie weit die Erinnerungskultur bereits entkernt ist. Befreit wurden die wenigen Überlebenden der europäischen Judenvernichtung durch die Deutschen. Es ist reinstes DDR-Sprech wenn die Geschichte heutzutage in den Medien in Kategorien von “Vom Faschismus befreit” erzählt wird und wie in der DDR Täter im Kollektiv von ihrer Verantwortung befreit. Ätzend, wütend wird laStaempfli wenn dies in einer Selbstgerechtigkeit aus allen Mikrophonen schallt. Wer hat befreit? Richtig. Die Alliierten, zu denen auch die UdSSR gehörte, die ein paar Jahre vorher noch den Hitler-Stalin-Pakt beschlossen hatte und die ohne die Rüstungsindustrie der USA untergegangen wäre.
Der 8. Mai ist kein Wellness-Tag für das deutsche Selbstbild (oder auch der Russen!). Er ist ein Tag der Trauer, der Scham, der radikalen Verantwortung. Kein Ende mit Schrecken, sondern ein Anfang im Angesicht des Grauens.
Primo Levi schrieb: “Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen: das ist der Kern dessen, was wir zu sagen haben.”
Erinnern heißt benennen – klar, deutlich und ohne falsche Rücksicht.