Die Politphilosophin Regula Stämpfli über „NATIONAL FEMININ“: Tatort vom 26. April 2020 in der ARD-Mediathek

Die Politphilosophin Regula Stämpfli über „NATIONAL FEMININ“

Frauen und nichtweissen Künstlern stehen lächerliche Ressourcen zur Verfügung im Vergleich zu den älteren weissen Herren der Kulturbürokratie. Werke von Frauen und PoC (People of Color) werden unfassbar billig verkauft, selten im Feuilleton besprochen, kaum ausgestellt. Überall dominieren Museeumsleitende aus der oberen Gesellschaftsschicht. Kultur im deutschsprachigen Raum weist weniger soziale Mobilität und Durchlässigkeit auf als zu Zeiten des Kaiserreichs und tut dennoch so als wären die Intendanten ja so unglaublich radikal fortschrittlich, demokratisch. All dies zum lachen, wenn die Situation nicht so himmeltraurig ernst wäre. Hin und wieder zeigen Museen Werke von PoC oder – bewahre – gar einer Frau. Doch meist ist dies Alibipolitik, die von den auserwählten Ausseinseiterinnen dann gross beworben wird nach dem Motto: „Seht her, wir haben es geschafft.“

Die wunderbare Maria Furtwängler, Ärztin und Schauspielerin, ebenfalls aus der obersten Gesellschaftsschicht stammend, hat dies alles durchschaut. Seit einigen Jahren ist sie punkto Frauen und Diversität mit ihrer ebenso zauberhaften und klugen Tochter Elisabeth sehr radikal unterwegs – zumindest für deutsche Verhältnisse. Deshalb empfehle ich hier die „MALISA-Stiftung“ explizit und werbe auch für den Instagram-Account von Maria Furtwängler, der eine sehr kluge, ehrliche, sehr schöne, sehr vielseitige und oft auch eine ganz normale Frau um die 50 zeigt, respektive zur Sprache kommen lässt (ist ja auch selten in der deutschsprachigen Öffentlichkeit).

Ebenso empfehle ich den Tatort „National feminin“. Der ist Klasse. Geniale Dialoge, extrem gut gemacht. Mit einiger Chuzpe verweist der Tatort auf die auch in der Wirklichkeit erstarkten „neuen Weiblichkeit“ von rechtsaussen. Sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland versuchen rechte Bloggerinnen den amerikanischen Vorbild-Suprematistinnen nachzueifern. Leider finden sie in den Medien viel zu viel Aufmerksamkeit für den altbackenen, klischierten und geistesdumpfen Schrott, den sie via Netz verbreiten. Im Vergleich dazu ist der intellektuelle Feminismus von rechts im „Tatort“ beeindruckend und beängstigend. Zwar badet auch der Tatort in einigen Klischees, doch die Seitenhiebe auf „ganz normale Männerverbrechen“ und auf die deutsche Rückständigkeit in Sachen Gleichstellungspolitik, sind einfach Spitze. Dies kriegt kein anderer Tatort hin, zumal viele Episoden aus anderen Städten nur so von männerpubertären Sexismus spriessen: „Ja, Till Schweiger, ich meine unter anderem Sie!“

Florence Kasumba, einer der besten Schauspielerinnen Deutschlands und Maria Furtwängler müssen sich mit der „Jungen Bewegung“ auseinandersetzen, die eine Bundesverfassungsrichterin unterstützt, die der realen AfD-Vorzeigeblondine Alice Weidel gefährlich ähnlich sieht: Lesbisch, kühl, ehrgeizig, rechtsaussen bis zum Abwinken.

Mehr verrate ich nicht. „National Feminin“ wird hoffentlich die meisten Preise des Corona-Jahres abräumen. Grosses Kino. Unbedingt nachschauen.

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„Tatort“ in der ARD-Mediathek siehe https://www.daserste.de/unterhaltung/krimi/tatort/sendung/national-feminin-100.html