Die Staatsrechtlerin Regula Stämpfli über das Scheitern der Thüringer Quotenregel

Thüringer Quote scheitert vor Verfassungsgericht

Ein Kommentar der Staatsrechtlerin Regula Stämpfli über das Scheitern der Thüringer Quotenregel.

Dieses Urteil wäre auch von Feministinnen zu verhindern gewesen.

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Ein Paritätsgesetz, das Parteien vorschreibt, wie sie Wahlen bestreiten dürfen beschränkt die Freiheit nicht nur der Parteien, sondern auch der Wähler*innen. Dies, weil dieser Quotenvorschlag strukturell falsch war. Demokratien dürfen sich nicht auf Identitätskriterien stützen. Seit der nationalsozialistischen Machtergreifung sollten alle Staatsrechtler*innen wissen, dass die „Identität zwischen Regierenden und Regierten“ nicht zu mehr Demokratie führt. J.J. Rousseau treibt sonst wieder sein Unwesen mit der problematischen Konstruktion von „volonté générale“ und dem „volonté de tous“. Allgemeinwohl und Mehrheitswillen müssen in Balance gehalten werden. Dafür gibt es den Rechtsstaat.

Ja: Frauen werden in Deutschland radikal punkto Teilhabegerechtigkeit und Partizipation beschnitten.Ja: Deshalb braucht es unbedingt Quoten für Frauen. Denn momentan gibt es in Deutschland die Männerquote. 

Aber – doch nicht auf Verfassungsebene, sondern auf allen gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Ebenen! Es brillante Steuerungsmittel – von vielen Gleichstellungsländern erprobt: Das öffentliche Auftragswesen beispielsweise. Wo öffentliche Gelder sind, da müssen Quoten rein. Wo öffentliches Wissen ist, da müssen Quoten sein. Wo öffentliche Medien sind, da müssen Quoten rein. Wo öffentliche Kultur ist, da müssen Quoten rein. Dann braucht es keine Parteililsten mit Quoten, sondern die sind so selbstverständlich wie alle Quoten in Demokratien, die unter dem Stichwort Föderalismus, Proporz, Länderausgleich etc. verhandelt werden. 

Nachzulesen in: Regula Stämpfli, Über das Gute – Einige Gedanken zur Gerechtigkeit. Festschrift für Hans Giger zum 80. Geburtstag, Bern 2009. Regula Stämpfli, Schweizer Politik. Weiss auf Schwarz. Studie der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen, Bern 2011. Stämpfli Regula, Gleichstellungsprogramm für den Kanton Basel-Landschaft, Liestal 1995.