Regula Stämpflis Kulturjahr in ensuite – Kultur und Kunst, was denn sonst? Februar 2020

Februar: Nackt. Die Kunst der Blösse

Der wohlgeformte Hintern glänzte überall: Von München nach Zürich bis zu seinem Ausstellungsort Basel. Das Antikenmuseum Basel und die Sammlung Ludwig besuchte ich nicht zuletzt wegen der überaus gelungenen Werbung für die Ausstellung „Nackt“. Die „Aphrodite Kallipygos“, mein Alter-Ego sozusagen, respektive „die mit dem schönen Hintern“, ist über 2100 Jahre alt und war zu Gast in diesem tollen Museum, das den Charme einer Welt von Gestern perfekt versprüht. Schade nur, dass das Museum viel zuwenig Veranstaltungen mit zeitgenössischen Kultur- und Politikwissenschaftlerinnen offeriert: Was hätten wir doch Spannendes zu erzählen! Allein über die österreichische „Venus von Willendorf“ würden neun Abende kaum reichen, soviel gäbe es über matriarchale Netzwerke und Modernität avant la lettre und jenseits des Machofeuilletons zu berichten. Die nackte Göttin war zu Beginn der Menschheit Verheissung von Fruchtbarkeit und Transformation. Doch schon bei den Schriftgelehrten in Ägypten bedeutete die Nacktheit Sklaverei. Mit der Schrift kam die Kleidung und damit fast ewige Hierarchie. Seitdem wird die Blösse von männlicher Macht dazu benutzt, Opfer zu kreieren: Opfer des Voyeurismus, Opfer der Schutzlosigkeit, Opfer sexueller Gewalt in unzähligen Bildern. Künstler sind leider oft erkennbar als willige Vollstrecker ikonographischer Dominanz: Von der Lust bis zum Tod.

Die Ausstellung war wirklich einzigartig und das „Antikenmuseum Basel und die Sammlung Ludwig“ verdienen jede Werbung. Und wer weiss: Vielleicht kommen die Verantwortlichen ja wirklich noch auf die Idee, die zeitgenössischen Denkerinnen zu einem neuen Reigen in die Räume voller göttlicher, antiker und nackter Botinnen der Inspiration zu laden. Ich wäre jedenfalls sofort dabei.

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