Twitter 2021 laStaempfli.: Expertise zum Verhüllungsverbot 7.3.2021

Twitter 2021 laStaempfli.: Expertise zum Verhüllungsverbot 7.3.2021

Die mediale Diskussion rund ums Verhüllungsverbot wies klassische Trumpismus-Strukturen auf: Die radikal islamistischen Politisierungspropaganda durch Nikab, Burka und Tschador wurden in Medien, Kampagnen und Stellungnahmen institutionalisierter Gleichstellungsorganisationen postmodern und beliebig mit Perlenketten, Bikinis oder Miniröcken gleichgesetzt. Es ist Regula Stämpfli und vielen MitstreiterInnen gelungen, den gängigen apolitischen Diskurs beispielsweise von Operation Libero mit wichtigen Stellungnahmen von muslimischen Akademikerinnen, laizistischen Menschen aus islamischen Ländern sowie Feministinnen weltweit zu durchbrechen. Hier die wichtigsten Links und Hinweise, die dazu führten, dass trotz massiven Widerstand in Medien und den extrem mühsamen Auftritten des rechtspopulistischen Egerkingen Komitees, das die Initiative lancierte, den Burka-Ban trotzdem bei einer Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger durchzubringen. Bild: NZZ

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“Der Ganzkörperschleier, als eine Praxis, die durch einige extremistische religiöse Interpretationen motiviert ist, ist nichts anderes als ein mobiles Gefängnis nur für Frauen. Diese Kleidung, im öffentlichen Raum, drückt also nicht einfach eine Kleiderwahl aus. Im Gegenteil, sie vermittelt eine ebenso einfache wie gewalttätige Idee: dass es legitim ist, Frauen, und nur Frauen, unsichtbar, unpersönlich, unwahrnehmbar zu machen. Dieser Idee darf man nicht mit Toleranz begegnen, denn sie untergräbt die eigentliche Grundlage der Toleranz, nämlich die Gleichheit aller Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht. Sie hat daher viel mehr mit Herrschaft und Machtverhältnissen, insbesondere von Männern über Frauen, als mit Religion zu tun. Wir wollen unseren Kindern und vor allem unseren Töchtern sagen können, dass wir im Jahr 2021, als uns die Frage gestellt wurde, das Gefühl hatten, dass nein, der Vollschleier für Frauen nicht mit unserer Vorstellung von der Gesellschaft vereinbar sei, dass er keine harmlose Option sei. Dass wir der Ansicht waren, dass der vollständige Schleier, die absolute Unsichtbarkeit im öffentlichen Raum, als eine den Frauen strikt vorbehaltene Praxis, sowohl faktisch eine Misshandlung als auch symbolisch das Zeichen einer Doktrin der Entwürdigung und Gefangenschaft von Frauen sei. Ein solches Symbol braucht daher ebenso wenig akzeptiert zu werden wie eine Rede, die offen zu Hass oder Diskriminierung aufruft. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Übrigen 2014 ein solches Verbot im Namen einer offenen und egalitären Gesellschaft für gültig erklärt. Grundrechte lassen sich nicht, je nach Kontext, relativieren. Natürlich manifestiert sich Rassismus hier in der Schweiz wie auch anderswo. Wir sind nicht naiv in Bezug auf die Absichten der Initiatoren, die darin bestehen, die Frage des Vollschleiers zu instrumentalisieren, um die Existenz einer unüberwindbaren Opposition der Kulturen oder eines Kampfes der Zivilisationen anzuerkennen. Im Gegensatz zu ihnen haben wir keine Ressentiments oder Ängste gegenüber Menschen, die sich mit der muslimischen Religion identifizieren (und das gilt für alle anderen Religionen auch). Aber wir beanspruchen das Recht, uns allen Reden und Symbolen zu widersetzen, wenn wir es für gerechtfertigt halten. Und tun es gerade weil wir uns auf eine Gesellschaft zubewegen wollen, in der weder Rassismus noch Sexismus einen Platz haben. Um auf diesem Weg voranzukommen, brauchen wir Unnachgiebigkeit gegenüber dem, was Ungleichheit manifestiert und bestätigt, und nicht eine unangebrachte Offenheit gegenüber entwürdigenden Praktiken. Überall auf der Welt setzen sich Frauen gegen das Diktat des Vollschleiers ein, ohne in irgendeiner Weise Religion oder gar Religiosität in Frage zu stellen. Manchmal setzen Feministinnen ihr Leben aufs Spiel, indem sie gegen die Verpflichtung zum Tragen des Schleiers kämpfen. Andernorts kämpfen sie dafür, den vollständigen Schleier in öffentlichen Räumen oder Bildungseinrichtungen zu verbieten. Und mehrere mehrheitlich muslimische Länder in Afrika haben den vollständigen Schleier wegen des Fundamentalismus, den er verkörpert, verboten, wie kürzlich in Senegal. Wir können uns nicht eine Sekunde lang vorstellen, als bewunderte und weltoffene Demokratie das Signal zu geben, dass wir die Gefangenschaft von Frauen in der Öffentlichkeit akzeptieren und tolerieren müssen. Der Wunsch, unsere Solidarität mit diesen Feministinnen in aller Welt zu zeigen, wiegt bei unserer Entscheidung viel schwerer als die Feststellung, dass wir – ohne jede Freude – das Motto eines ultrakonservativen Klubs kurzfristig teilen. (…) Und wir werden keinen Fehler machen: Während wir natürlich damit beginnen müssen, die uns gestellte Frage richtig zu beantworten, müssen wir dann das Blatt umdrehen und unsere Energie all den wichtigeren und ehrgeizigeren Kämpfen widmen, die uns auf dem Weg zu einer Gesellschaft der Gleichheit erwarten. Aus dem Manifest der LeTemps https://www.letemps.ch/opinions/gauche-feministes-accepterons-linterdiction-voile-integral

Weitere Links: https://www.defacto.expert/2021/02/18/der-kontext-ist-wichtig-gerade-beim-nikab/ und 

#clubhouse, 8.3.2021 Regula Stämpfli zum Design der Woche, 17.00 Uhr.